Mit einem rechtskräftigen Entscheid im März 2025 schafft die die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen nun nach vier Jahren Klarheit, wie das Öffentlichkeitsprinzip bei der föderalen Zusammenarbeit anzuwenden ist.
Mitgegangen, Mitgefangen
Sind Mitarbeitende der kantonalen Zürcher Hochschulen (UZH, ZHAW, ZHdK) im Besitz von Dokumenten, welche sie in nationalen Gremien wie z.B. swissuniversities oder dem Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken erhalten haben, sind diese grundsätzlich über das kantonale Öffentlichkeitsgesetz (IDG) zugänglich zu machen. Dabei liegt es an den Zürcher Hochschulen die anderen Teilnehmer der Gremien anzuhören und mögliche der Transparenz entgegenstehende Interessen gemäss den Ausnahmen des Zürcher Öffentlichkeitsprinzip zu bewerten. Auch wenn dieser Verfahrensweg schon immer so vorgesehen war, scheuten sich die Zürcher Hochschulen, wie auch die Rekursinstanzen, bislang davor diese Anhörung und Interessensabwägung in aller Konsequenz umzusetzen. Ungern wollten die Zürcher den anderen Gremienteilnehmer „ihre“ Transparenz „aufzwingen“. Selbst das Zürcher Verwaltungsgericht weigerte sich im Entscheid (VB.2020.00746) aus angeblichen Respekt vor der Hoheit der anderen Kantone und des Bundes eine saubere Interessensabwägung von der UZH zu verlangen. Damit ist nun Schluss! Wenn die Zürcher Hochschulen involviert sind, gilt mindestens das Züricher Öffentlichkeitsprinzip.
Rechtliche Rehabilitation früher Entscheide
Dass die Rekurskommission nun endlich genau hingeschaut hat – nachdem sie sich vor fünf Jahren noch vor einem klaren Entscheid gedrückt hatte – liegt wohl auch daran, die Widersprüchlichkeit des Status Quo immer deutlicher wurde und die Rekurskommission sich im Verfahren mit der ZHAW um Zugang zu Dokumenten bei swissuniversities auch positionieren musste. Hilfreich dabei war auch, dass die Universität Basel bei einer erneuten Anfrage zu den Zahlungen an Elsevier im Mai 2024 die Zahlen bekannt gab und damit quasi das schräg in der Landschaft stehende Urteil des Bundesgerichts (1C_40/2017) annulierte.
Mit dem jüngsten Entscheid in Zürich gelingt nun auch die späte Rehabilitierung einer Niederlage in Liechtenstein. 2022 hatte dort die lokale Beschwerdekommission in einem Akt patriotischen Übereifers verhindert, dass der Beitrag der Universität Liechtenstein zum Schweizer Elsevier-Agreement öffentlich wird. Nun aber wird dieser über eine Anfrage nach Öffentlichkeitsgesetz bei der Universität Zürich zugänglich gemacht.
Daten zu Elsevier-Agreement 2020-2023
Bei der aktuellen Anfrage bei der Universität Zürich ging es mir um Daten zum vergangenen Elsevier-Agreement 2020-2023. Hierzu gab es offiziell nie eine öffentliche Auswertung und Analyse. Hier nun die Zahlungen mit den Anpassungen der letzten beiden Jahre.
Ebenfalls auf Zenodo zugänglich ist nun eine bisher interne Präsentation zum Agreement.
Dieser Blogpost dokumentiert zentrale Aussagen zu Open-Science-Themen in den Parteiprogrammen zur Bundestagswahl 2025 am 23. Februar 2025 von AFD, BSW, CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und Linke.
AFD
Im Wahlprogramm der AFD (PDF) wird Open Science nicht spezifisch adressiert. Es wird eine allgemeine Forderung nach einer “Bundestrategie für digitale Souveränität” erhoben, mit der “Open-Source-Techniken und dezentrale[…] Systeme” gefördert werden sollen, damit die “Autonomie der Bürger”, so die Partei, gesichert wird.
BSW
Im Wahlprogramm (PDF) des Bündnis Sahra Wagenknecht werden die Themen Open Access und Open Source angesprochen. Auszug: “Im Sinne der Gemeinfreiheit öffentlich finanzierter Güter wollen wir Infrastrukturen für Open-Access-Publikationen sowie für die langfristige Zurverfügungstellung von Forschungsdaten verstetigen.”
CDU/CSU
Im Wahlprogramm (PDF) fordert die Union im Bereich der Digitalpolitik, “[d]ie Chancen von Open Data für Innovationen und Wachstum” zu nutzen. Mit Blick auf Open Science wird unter dem Titel “Forschungsergebnisse zugänglich machen” festgehalten: “Wir setzen ein modernes Forschungsdatengesetz in Kraft, um durch die Verfügbarkeit und Nutzbarmachung von Daten ein deutliches Mehr an Forschung in gesellschaftlich relevanten Bereichen zu ermöglichen. Für eine noch höhere Qualitätssicherung und Effizienz in Wissenschaft und Forschung schaffen wir einen geeigneten Rahmen.”
SPD
In ihrem Wahlprogramm (PDF) betont die Partei im Bereich der Innovationspolitik die Bedeutung der “Weiterentwicklung der KI-Strategie”. Zu Open Science und Aspekten der offenen Wissenschaft werden keine Aussagen gemacht.
FDP
Die FDP widmet sich in ihrem Wahlprogramm (PDF) dem Forschungsdatengesetz und stellt fest: “Einen vereinfachten Zugang zu Forschungsdaten wollen wir über ein Forschungsdatengesetz rechtssicher ermöglichen.”
Grüne
Betont werden “passende Rahmenbedingungen für interoperable Standards und für einen sicheren und effizienten Datenaustausch” im Wahlprogramm (PDF) von Bündnis 90/Die Grünen. Diese Forderung nach Interoperabilität von IT-Systemen wird auch mit Blick auf Forschungseinrichtungen erhoben. In diesem Zusammenhang wird auch der offene Zugang zu Standards, “ohne Lizenzgebühren” gefordert.
Die Wissenschaftskommunikation soll, so die Partei, gestärkt werden. Für den Bereich der Informationsinfrastruktur wird eine „Innovationsinitiative Zukunfts-Campus“ in Aussicht gestellt, die auch Bibliotheken beim digitalen Wandel unterstützen will. Spezifischer wird der Open-Science-Bereich jedoch nicht adressiert.
Linke
Im Entwurf des Wahlprogramms (PDF) der Linke wird die Forderung “Was mit Steuergeldern bezahlt wurde, muss allen zu Gute kommen.” erhoben. Dieser Grundsatz soll auch für die Forschung gelten. Hierzu wird ausgeführt: “Auch die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung müssen kostenfrei öffentlich zugänglich sein (Open Access).”
Weiter wird ein “Recht auf Open Data” gefordert. Open Source wird an verschiedenen Stellen aufgegriffen. Im Bildungsbereich wird das Potenzial von Open Educational Resources (OER) herausgestellt. Auch wird der “Aus- und Aufbau digitaler Infrastrukturen an den Hochschulen” gefordert. Im Bereich der Pharmaforschung sollen, so die Partei, “Medikamente und Impfstoffe, die über mit Steuergeldern finanzierte Forschung entwickelt werden, […] lizenzfrei zur Nachproduktion zur Verfügung gestellt werden.”
Der Begriff Open Science wird in keinem der Wahlprogramme verwendet. Einzelne Aspekte offener Wissenschaftspraktiken werden jedoch adressiert. Dabei variiert die Tiefe der Befassung. Die Argumentation für die Förderung von Open-Science-Handlungsfeldern oder weitergehenden Rahmenbedingungen variiert je nach politischer Position und wird somit unterschiedlich begründet.
Hinweis
Ich habe die Programme nicht vollständig gelesen, sondern die PDF-Versionen nach zentralen Begriffen durchsucht.
Seit der Total-Revision von 2021 bezweckt das Schweizer Beschaffungsrecht auch den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel.
Dies gilt sicher für Beschaffungen über den Schwellenwerten:
Für die Verlagsleistungen gelten gemäss BöB die Schwellenwerte von CHF 230’000 für die ETH und die EPFL und gemäss IVöB CHF 250’000 bzw. CHF 350’000 für kantonale Forschungsinstitutionen. Ab diesen Vertragsvolumen müssen Aufträge an Verlage schweizweit oder gar international ausgeschrieben werden. Ab CHF 150’000 kommt das Einladungsverfahren gem. Art. 20 BöB / IVöB zum Zug, bei dem öffentliche Auftraggeber:innen zwar nicht öffentlich ausschreiben, aber drei Anbieter:innen zur Offerteinreichung einladen müssen.
Aber auch für kleinere Beschaffungen:
Allerdings spricht sich die Literatur unter dem revidierten Gesetz dafür aus, die grundlegenden Prinzipien des Beschaffungsrechts selbst dann zu berücksichtigen, wenn die Schwellenwerte nicht erreicht werden. Dies wird damit begründet, dass den staatlichen Stellen auch im unterschwelligen Bereich, der schliesslich den Grossteil aller Beschaffungen ausmacht, eine Vorbildrolle zukommt und er auch dort den verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Prinzipien der Gleichbehandlung, des wirtschaftlichen Handelns und der Nachhaltigkeit nachleben solllen.
Für die Praxis bedeutet dies:
Dem Beschaffungsrecht unterstellte Akteure und Akteurinnen müssen sich bei jeder Ausschreibung überlegen, i) welches Preis-Leistungs-Verhältnis anzustreben ist und inwiefern sich die zu beschaffende Leistung auf ii) die Umwelt und iii) die Gesellschaft auswirkt.
Soziale Nachhaltigkeit nicht mit traditionellem Modell vereinbar
Früh und Koch versuchen in ihrem Beitrag zu bewerten, ob gemäss den beiden Prinzipien der wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit des Beschaffungsrechts das Open-Access-Modell gegenüber dem traditionellen Reader-/Library-Pay-Modell bei der Beschaffung bevorzugt werden sollte.
In Bezug auf die wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist letztendlich entscheidend, ob die Leistungen der Verlage (Begutachtung, Lektorat, Layout, Archivierung) im Verhältnis zu dem von ihnen verlangtem Preis steht. Dies kann bei beiden Modellen gleichermassen gegeben oder nicht gegeben sein.
Jedoch offenbart das Reader/Library-Pay-Modell in Bezug auf die soziale Nachhaltigkeit eine Schwäche, indem es der Allgemeinheit den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen verwehrt, obwohl diese Erkenntnisse mithilfe öffentlicher (Steuer-)Mittel erarbeitet werden.
Daher sollte Open Access im Sinne des sozialen Nachhaltigkeitsprinzips stärker bei Beschaffungsentscheidungen berücksichtigt werden.
Beschaffungsrecht zu lange irrelevant
Wie Früh und Koch betonen, steht die beschaffungsrechtliche Befassung mit dem wissenschaftlichen Publizieren noch ganz am Anfang. Dies ist auch meine Wahrnehmung.
Zwar operieren die Hochschulbibliotheken mit den Big Deals schon seit mehrere Jahrezehnten in Bereichen über den Schwellenwerten, in denen das Beschaffungsrecht Anwendung findet. Aufgrund des dysfunktionalen Marktes mit Oligopolen war jedoch auch immer klar, dass für die Beschaffung nicht substituierbarer wissenschaftlicher Literatur kein wettbewerbliches Verfahren möglich war. Thema war eher im Gegenteil, ob nicht ein Eingriff der Kartellbehörden nötig wäre um zu mehr Wettbewerb zu gelangen. Dokumentiert ist beispielsweise das Treffen des ETH-Ratspräsidenten mit der Wettbewerkommission im Mai 2012 zur Causa Elsevier.
Das Beschaffungsrecht wurde deshalb von vielen Hochschulbibliotheken als irrelevant betrachtet. Viele ignorierten deshalb auch die Pflicht, freihändige Vergaben zu deklarieren. Konsequenzen hatte das keine. Denn wo kein Kläger (und beim Beschaffungsrecht müssten das Mitbewerber sein), da kein Richter.
Ich bin dem Thema insbesondere bei der Universität Basel nachgegangen, wo ja das Appellationsgericht Basel-Stadt (2016) und das Bundesgericht (2017) anders als im Rest der Schweiz entschieden haben, dass die Öffentlichkeit nicht wissen darf, was die Universität an Elsevier, Wiley und Springer zahlt. Mein Einspruch, dass gemäss Beschaffungsrecht diese Beträge (sofern über den Schwellenwerten) sowieso hätten deklariert werden müssen wurde von den Gerichten stets ignoriert.
Selbst als ich mich der Universität Basel nach Beschaffungsrecht erkundigte, wurde ich mit einer Floskel abgespeist. Ich habe dies dann der Ombudsstelle gemeldet, die den Sachverhalt an die Finanzkontrolle für das nächste Audit bei der Universität Basel übergeben hat. Wie es weitergangen ist weiss ich nicht. Denn die Berichte der Finanzkontrolle sind für das kantonale Parlament bestimmt und werden nur öffentlich, wenn eine Mehrheit des Parlaments dies so beschliesst. Ich gehe aber stark davon aus, dass die Universität Basel damals einen Rüffel von der Finanzkontrolle erhalten hat.
Wachsendes Bewusstsein
Seither findet man auf simap.ch tatsächlich häufiger Informationen zu den freihändigen Beschaffungen von wissenschaftlichen Publikationen. Auf Bundesebene (ETH’s) gibt es seit 2022 zudem die Regel, dass Beschaffungen ab 50’000 Fr jährlich maschinenlesbar veröffentlicht werden müssen. Insgesamt ist somit das Beschaffungsrecht im Bewusstsein der Hochschulbibliotheken in den letzten Jahren sicher angekommen.
Aber ein Weiterdenken hinsichtlich der Nachhaltigkeitsprinzipien ist nötig. Auch die Frage, ob die bezahlten Preise der Leistung der Verlage entsprechen, sollte empirisch beantwortet werden.
Gerade mit Open Access hätten die Hochschulen auch eine historische Chance, wieder in ein wettbewerbliches Beschaffungswesen hineinzukommen. Sie könnten für ihre eigenen Publikationen Aufträge für Publikationsdienstleistungen ausschreiben, auf die sich dann mehrere Verlage bewerben können. Neben dem Preiswettbewerb hätte das den Vorteil, dass Hochschulen auch die formalen Anforderungen an die Qualitätssicherung, OA-Lizenz, technische Publikationsformate usw. mitbestimmen und bei der Zuschlagserteilung berücksichtigen können.
Der Beitrag von Früh und Koch stammt aus der suis-generis Reihe #unbequem die dem Wirken des 2022 unseres verstorbenen Kollegen Daniel Hürlimann gewidmet ist.
Die Gates Foundation hat angekündigt, ab 2025 keine APCs mehr für Gold OA zu bezahlen. Es reicht ihr, wenn Forschende stattdessen nur einen Preprint mit einer CC-BY-Lizenz veröffentlichen. Geförderte Forschende können ihre Publikationen allerdings immer noch in einem Peer-Review-Journal (auch hinter einer Paywall) veröffentlichen.
Damit läutet die Foundation einen radikalen Wechsel ein, der insofern überraschend ist, als das die Gates das APC-Modell in der Vergangenheit stark gestützt hat, ja sogar mit ChronosHub ein Tool in Auftrag gegeben hat, mit dem APCs besser verwaltet werden können. Die Foundation war auch die allererste Institution, die ein Hybrid-Publishing Abkommen mit AAAS hatten. Ebenfalls betreiben sie eine Instanz der F1000-Publikationsplattform (Gates Open Research). Dieser abrupte Wechsel wird mit einer Frustration in der Entwicklung von OA begründet:
Open Access as it is done now hasn’t changed for ten years and in fact has given rise to some unsavory publishing practices by poor actors (paper mills, questionable quality review, unchecked pricing). This has caused the foundation to rethink how it supports Open Access to better achieve its goals of immediate access, global reuse, and equitable action. [..]
The foundation has a decade of data, learning, and research that went into our strategy and open access policy refresh. The predominant OA business model is the APC and that has been stretched and corrupted to the point that unfunded research throughout the globe cannot publish due to lack of funds. New models, like Diamond OA and Subscribe to Open, have been slow to gain traction and adoption by the major journals and publishers further locking in the APC model.
Auf die Frage, ob OA alleine auf Preprints nicht zu Lasten der wiss. Qualität gehen würde, antwortet die Gates Foundation:
Preprints have been shown to address misinformation by enabling the broader scientific community to engage with and respond to research as soon as possible.
There is growing evidence that there are few significant changes from the preprint version to the peer-reviewed one
Wie Tom Ciavarella von Frontiers in Science zitiert wird, besteht damit die Gefahr, dass Forschende ohne finanziellen Support wieder vermehrt in Closed-Access publizieren und letztlich, ausser dem Preprint, nicht viel gewonnen ist.
Man kann die Entscheidung auch als Weckruf interpretieren, der signalisiert, dass nun endlich die Hochschulen gefordert sind. Förderer wie die Gates Foundation haben, streng genommen, mit den APCs zusätzliches Geld ins System eingespeist, ohne dafür zu sorgen, dass es eine Rückkopplung im System gibt, durch die Hochschulen dem Closed Access den Geldhahn zudrehen. Dass hier irgendwann die Geduld reisst, war zu erwarten. Überraschend ist jedoch, dass nicht nur die zu langsame Transformation oder die Preise bei Gold OA in Frage gestellt werden, sondern auch das Peer-Review und die gesamte Verlagsleistung.
Auf dem Youtube-Kanal {ungeskripted} gibt es ein spannendes Interview mit Elias Gudwis, der unter ghostwriting-gudwis.de eine Ghostwriting-Agentur mit Fokus Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten betreibt.
„Lustigerweise“ hat die Plagiatsaffäre um Guttenberg dazu geführt, dass die Nachfrage gestiegen ist, weil Ghostwriter bezüglich Plagiate ihr Handwerk verstehen. Auch ChatGPT hat bisher noch nicht zu einem Einbruch der Nachfrage geführt, da es für den wissenschaftlichen Bereich einfach noch nicht genügend ausgereifte Arbeiten liefert. Langfristig sieht Gudwis die KI allerdings schon als einen Einfluss, der die Preise in seiner Branche nach unten treiben wird.
Obwohl Gudwis natürlich ahnt, wofür die Arbeiten gebraucht werden, bewegt er sich im legalen Bereich, weil es ja der/die AuftraggeberIn ist, der diese Arbeit dann – sehr wahrscheinlich – als seine eigene bei einer Hochschule einreicht und damit gegen die Regeln verstösst. Moralisch scheint er mit seinem Geschäft wenig Bedenken zu haben. Verständnis für seine Auftraggeber hat er insbesondere dann, wenn diese eigentlich einfach einen Beruf ausüben wollen, für den zwar ein Studienabschluss verlangt wird, der Inhalt des Studiums dann aber wenig mit dem eigentlichen Job zu tun hat. Er würde sich als „Wissenschafts-Nerd“ nicht nur eine Abkehr von dieser inflationären Verakademisierung wünschen, sondern auch eine offene Debatte über die eigentlichen Missstände, die zum Ghostwriting führen. Hier sieht er allerdings keinen Willen des Hochschulbetriebs.
Blogs sind heute ein integraler Bestandteil der digitalen Wissenschaftskommunikation und unterstützen verschiedene Kommunikationsfunktionen in der Wissenschaft. Sie können als Tagebuch im Sinne von Open Science genutzt werden, um aktuelle Ergebnisse aus dem Laboralltag zu dokumentieren und zu kommunizieren. Zudem können sie als digitales Schaufenster dienen, um die externe Wissenschaftskommunikation an wissenschaftlichen Einrichtungen zu unterstützen und wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Trotz ihrer Bedeutung sind jedoch viele Fragen im Zusammenhang mit der dauerhaften Zugänglichkeit von Blogs ungeklärt. Beispielsweise konnten Blogplattformen kommerzieller Akteure wie Nature und ScienceBlogs keinen nachhaltigen Betrieb für ihre Blogs gewährleisten. Angesichts dieser Problematik haben verschiedene Akteure der wissenschaftlichen Blogosphäre begonnen, sich mit den Herausforderungen rund um die dauerhafte Zitierung und Archivierung von Wissenschaftsblogs zu beschäftigen.
Martin Fenner, vielen Leser:innen hier sicher bekannt, bloggt seit Jahren auf verschiedenen Blogplattformen wie Nature Network und PLOS Blogs zu aktuellen Themen der digitalen Wissenschaftskommunikation. Zuletzt war er als Technischer Direktor für DataCite tätig und hat sich dort insbesondere mit Persistent Identifiers (PIDs) für Forschungsdaten und Forschungssoftware befasst. Kürzlich hat er sich mit Front Matter als IT-Dienstleister für die Wissenschaft selbständig gemacht und widmet sich nun unter der Marke Rogue Scholar einigen der Herausforderungen in Bezug auf die Referenzierung und Sicherung von wissenschaftlichen Blogbeiträgen. Unter anderem sorgt sein Dienst dafür, dass Blogbeiträge von wisspub.net seit wenigen Tagen mit DOIs adressierbar sind und mit den ORCID-IDs ihrer Autor:innen verknüpft sind (Beispiel). Grund genug, Martin Fenner ein paar Fragen zu seinem Vorhaben zu stellen.
Dank Dir, Martin Fenner, sind die Beiträge von wisspub.net seit neuestem durch DOIs adressiert. Welche Idee steht hinter Deinem Service Rogue Scholar?
Das Wissenschaftsblogs ein wichtiger aber unterschätzter Teil der Publikation und Kommunikation von Wissenschaft sind. Das Grundkonzept funktioniert prächtig seit zwanzig Jahren, aber einige wichtige Bausteine haben meiner Meinung nach bisher gefehlt.
Wie sind die bisherigen Reaktionen auf Rogue Scholar?
Viel Interesse und Dankbarkeit bei den Blogs und Blogger:innen die Rogue Scholar schon nutzen. Ich glaube ein bißchen auch positives Erstaunen, dass vieles so einfach (und kostengünstig) geht, was beim Publizieren von Zeitschriftenartikeln (aber auch Büchern, Forschungsdaten, usw.) so schwer und langwierig erscheint, also z.B. Metadaten oder geeignete digitale Formate.
Was ich aber auch sehe, ist eine gewisse Zurückhaltung, die kompletten Inhalte von Blogs in RSS Feeds und mit einer offenen Lizenz (CC-BY) zur Verfügung zu stellen, selbst wenn das Blog sich mit Open Science oder verwandten Themen beschäftigt. Da ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, insbesondere warum CC-BY gegenüber verwandten Lizenzen wie CC-BY-NC und CC-BY-SA vorzuziehen ist.
Welche Herausforderungen sind aus Deiner Sicht weiter ungeklärt?
Blogs sind einfach, bezahlbar und schnell gestartet. Es ist aber weiterhin schwierig, interessante Beiträge auch zu finden – insbesondere von weniger bekannten Autor:innen und zwei, fünf oder zehn Jahre nachdem sie veröffentlicht wurden. Mein beliebtester Blogpost ist seit Jahren ein Post von 2014 mit Tipps zur Nutzung von Microsoft Word mit git. Eine Zeit lang waren Blogging Networks sehr populär, aber einigen von ihnen ist irgendwann die Puste (sprich Finanzierung) ausgegangen.
Und Blogs verschwinden irgendwann, wenn der/die Autor:in oder die Organisation andere Prioritäten setzt. Mein persönliches Blog hat bisher in 16 Jahren sechsmal den Ort und die technische Platform gewechselt, ohne die Wayback Machine des Internet Archive und viel manuelle Arbeit wären viele Inhalte verloren.
Rogue Scholar baut auf diesen Erfahrungen auf, indem es die Langzeitarchivierung und zentrale Suchfunktion für bestehende Blogs unterstützt. Und erweitert Blogs um zentrale Funktionalitäten, die für wissenschaftliche Infrastruktur essentiell sind: Persistierende Identifier und Metadaten. Keine Überraschung, denn diese Themen sind seit 2008 wichtige Themen meines Blogs und später auch meiner Arbeit, u.a. für ORCID, DataCite und ROR. Dank Rogue Scholar haben nicht nur schon über 1.000 Blogposts eine DOI, sondern diese Blogposts sind Teil des Scholarly Record geworden. Sie sind über DOI, Referenzen (bis zu 50 bei bisher insgesamt 5 % aller Blogposts) und ORCID Author Identifier (70 % aller Blogposts) in den Metadaten auf vielfältige Weise mit anderen Publikationen und ihren Autor:innen verknüpft.
Du hast Dich bei PLOS viele Jahre mit Indikatoren für Open Science beschäftigt. Wie bewertest Du die Entwicklungen rund um die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA)? Könnte der angestrebte breite Blick auf Forschungsleistung auch Wissenschaftsblogs neuen Aufschwung geben?
Momentan sehe ich Wissenschaftsblogs in der Regel nicht als Teil der publizieren Wissenschaft, die evaluiert werden muss oder soll. Vielmehr erfüllen Wissenschaftsblog vor allem andere Funktionen im Bereich der Wissenschaftskommunikation, unter Wissenschaftler:innen und mit der breiteren Öffentlichkeit. Sie ähneln dabei eher Aktivitäten von Wissenschaftler:innen in den sozialen Medien oder Wikipedia.
Wissenschaftsblogs sind wichtig, weil sie die Kommunikation von Wissenschaft einfach, schnell und ohne technische Hürden ermöglichen. Sie ähneln dabei Preprints, die sie übrigens sehr gut ergänzen, da diese in der Regel nicht für Nachrichten, Standpunkte, Übersichtsarbeiten, usw. verwendet werden.
Letzte Frage: Du hast lange Zeit selbst auf verschiedenen Plattformen wie Nature Network und PLOS Blog gebloggt. Eine unserer ersten Diskussionen ist in einem Blog-Beitrag von Dir festgehalten (über Forschungsinformationssysteme aus dem Jahr 2010) und an einigen Stellen weiterhin aktuell. Welche Zukunft wünschst Du den wissenschaftlichen Blogs?
Ich glaube, Wissenschaftsblogs haben eine großartige Zukunft, insbesondere in Zeiten des Wandels in den sozialen Medien, nicht nur bei Twitter. Ich glaube und hoffe dass sich das Format weiterentwickelt, z.B. in Form von Podcasts, Vlogs, oder Microblogs, aber auch neuen Plattformen wie Quarto, Typst oder Curvenote, die wissenschaftliches Publizieren vereinfachen und die Grenzen zwischen Blogs und traditionellen Publikationsplatformen verschwimmen lassen.
Vielen Dank für das Interview!
Referenzen
COARA. (n.d.). Coalition for Advancing Research Assessment. Retrieved July 12, 2023, from https://coara.eu/
Fenner, M. (2023). The Rogue Scholar archive reaches a milestone: 1000 searchable full-text science blog posts with DOIs. Front Matter. https://doi.org/10.53731/89zgc-ptr93
Im Rahmen der 16. Berliner Open-Access-Konferenz der Max-Planck-Gesellschaft, die aktuell unter dem Titel “Together for Transformation” Berlin stattfindet, wurden gestern Leitlinien von Bund und Ländern zu Open Access vorgestellt.
Diese Leitlinien wurden von der Kultusministerkonferenz (KMK) im März verabschiedet. Auf der Webseite der KMK findet sich eine knappe Pressemitteilung zu dem Papier. In dieser heißt es zum Prozess der Erarbeitung:
“Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Länder haben auf Fachebene seit 2019 einen intensiven Austausch zum Thema Open Access. Im Ergebnis dieses Austauschs sind gemeinsame Leitlinien von Bund und Ländern zu Open Access entstanden.”
Vorgestellt wurde das Papier gestern auf der MPG-Konferenz von BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring und Andreas Handschuh vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Dieser wird in der Meldung mit den folgenden Worten zitiert:
“Bund und Länder senden mit den Leitlinien zum Open Access ein starkes Zeichen für eine unabhängige und souveräne Wissenschaft. Der Transformationsprozess hin zu Open Access bedarf einer gemeinsamen Anstrengung aller Akteure und Organisationen des Wissenschaftssystems, damit offenes Publizieren wissenschaftlicher Ergebnisse aus öffentlich finanzierter Forschung zum Standard wird.“
Die Leitlinien, die in deutscher und englischer Sprache über die Website des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zugänglich sind, gliedern sich in zehn Abschnitte:
1. Unterstützung der Transformation durch Bund und Länder; Kooperation
In diesem Abschnitt wird die Kooperation von Bund und Ländern betont: “Bund und Länder wollen […] das seit 2019 regelmäßig stattfindende Austauschformat zu Open Access verstetigen und unter Einbeziehung der Wissenschaft den begonnenen strategischen Prozess fortsetzen.”
2. Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen
Hier werden das Zweitveröffentlichungsrecht sowie die Verankerung von Open Access in der Förderungspolitik des BMBF sowie die Integration von Open Access in der Hochschulgesetzgebung betont.
3. Fördermaßnahmen zur Unterstützung der Open-Access-Transformation
In diesem Abschnitt werden weitere “Fördermaßnahmen zur Unterstützung der Transformation hin zu Open Access” angekündigt.
4. Open Access und Hochschulsteuerung
Hier betonen die Länder ihr Anliegen, “Open Access nach Möglichkeiten durch Instrumente der Hochschulsteuerung bspw. in Wissenschafts- bzw. Hochschulentwicklungsplänen” zu fördern.
5. Qualität von Open-Access-Publikationen und Reputation
Unter diesem Titel wird die Bedeutung der Weiterentwicklung der Forschungsbewertung betont. U.a. heißt es dort: “In Zukunft sollte im Rahmen von Evaluationsprozessen die Bewertung der Inhalte einzelner Artikel der pauschalen Qualifizierung der diese Forschung publizierenden Zeitschriften vorgezogen werden. Bund und Länder ermutigen die akademischen Einrichtungen, die DORA-Deklaration zu unterzeichnen und in diesem Sinne zu handeln.”
6. Services und Infrastrukturen
Betont wird in diesem Abschnitt die Bedeutung von Open-Access-Publikationsfonds und -Repositorien an wissenschaftlichen Einrichtungen. Auch ermutigen Bund und Länder, ganz im Geiste der aktuellen Schlussfolgerungen des EU-Rates, “Einrichtungen, eigene wissenschaftsgetragene Infrastrukturen aufzubauen und weiterzuentwickeln, um Autorinnen und Autoren die Möglichkeit zu geben, in wissenschafts- getriebenen bzw. wissenschaftseigenen Publikationsformen ihre Ergebnisse zu veröffentlichen.” Darüber hinaus wird festgestellt: “Bund und Länder teilen die Einschätzung des Wissenschaftsrates, dass Diamond-Open-Access-Modelle zur Diversität des Systems beitragen und in Konkurrenz zu gebührenfinanzierten Modellen treten können.”
7. Kostentransparenz
In diesem Kapitel wird die Erwartung formuliert, dass wissenschaftliche Einrichtungen Informationsbudgets schaffen. Zitat: “Bund und Länder gehen davon aus, dass die wissenschaftlichen Einrichtungen transparente Informationsbudgets aufsetzen und verweisen hierzu auf die einschlägigen Empfehlungen des Wissenschaftsrates.”
Betont wird hier die Bedeutung von Bibliodiversität. Auch werden die Kommerzialisierungsprozesse im Verlagswesen kritisiert. Zitat: “Der immer stärkeren Kommerzialisierung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen ist daher gezielt entgegenzutreten. Bund und Länder würdigen die Vielfalt im wissenschaftlichen Publikationssystem in Deutschland und sehen die wichtige Rolle kleiner und mittlerer Wissenschaftsverlage.”
9. Publikationen staatlicher Akteure
Hier wird das Anliegen von Bund und Ländern formuliert, die “Verwendung offener Lizenzen” zu fördern und die „langfristige und persistent zitierbare Verfügbarkeit eigener Publikationen zu sichern.”
10. Rolle von Open Access im Gesamtkontext
Betont wird hier die Einbettung von Open Access in Open Science. U.a. heißt es “Bund und Länder verstehen Open Access als Bestandteil von Open-Science-Konzepten. Open Access ist als Teil des Forschungsprozesses eine Innovationsquelle. Open Access und Open Science setzen einen Kulturwandel und die Entwicklung spezieller Kompetenzen bei den Akteurinnen und Akteuren voraus.”
In einem Fazit der Leitlinien wird festgestellt: “Die Förderung der Vielfalt und Dauerhaftigkeit von Open Access ist erklärtes Ziel von Bund und Ländern. Bund und Länder teilen die Einschätzung des Wissenschaftsrates, dass die Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access innerhalb der nächsten Jahre abgeschlossen und das offene Publizieren wissenschaftlicher Ergebnisse aus öffentlich finanzierter Forschung zum Standard werden soll.”
Die EU-Wissenschaftsministerien haben sich auf ihrer heutigen Sitzung in Brüssel unter dem Titel “Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing” (PDF der englischen Version, PDF der deutschen Version) mit den aktuellen Herausforderungen des wissenschaftlichen Publikationswesens befasst.
Bereits im Vorfeld der Sitzung der Wissenschaftsministerien wurden verschiedene Versionen der Erklärung öffentlich diskutiert (siehe z.B. Science Business und Times Higher Education). Im Kern stand die Frage, inwiefern das EU-Papier den Fokus auf Finanzierungs- und Geschäftsmodelle abseits von Publikationsgebühren (Article Processing Charges, APCs) legt und ob sogar eine Abkehr von der Unterstützung dieses Modells durch die öffentliche Hand in Europa betont wird.
Schweden hatte das Thema im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft augegriffen und bereits im Februar in einem Hintergrund-Papier adressiert. Schon in diesem Briefing Paper wurde die Problematik steigender Preise für die wissenschaftlichen Fachinformation betont.
In der jetzt verabschiedeten Version der Schlussfolgerungen die Forderung nach sofortigem Open Access für wissenschaftliche Publikationen, die im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung entstehen, nochmals betont. Dieses Ziel wurde bereits 2016 von den EU-Wissenschaftsministerien erhoben. Die Wissenschaftsminister:innen hatten damals einen Open-Access-Anteil von 100 % bis 2020 gefordert. Dieser Wert wurde bisher jedoch nicht erreicht. In Deutschland liegt der Open-Access-Anteil zum Beispiel bei 63 Prozent, während die Niederlande im Publikationsjahr 2021 einen Anteil von 82 Prozent erreichten.
“Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing”
Angesichts steigender Abonnementkosten und ähnlicher Entwicklungen im Bereich der Publikationsgebühren für Open Access und hybride Optionen betont das EU-Papier das Potenzial von Geschäfts- und Finanzierungsmodellen, die weder die Leser:innen noch die Autor:innen finanziell belasten und sich durch angemessene und transparente Preise auszeichnen (Punkt 6). Es wird beklagt, dass die steigenden Preise für wissenschaftliche Fachinformationen zu Ungleichheiten führen und die öffentliche Hand in Europa zum Nachteil der Forschung belasten (Punkt 5).
Aufgrund dieser Kritik am kommerziellen Verlagswesen wird in zwei bemerkenswerten Punkten (6 und 7) die Bedeutung von nicht gewinnorientierten Open-Access-Modellen betont. Wortlaut:
“The Council of the European Union […] highlights the importance of not-for-profit, scholarly open access publishing models that do not charge fees to authors or readers and where authors can publish their work without funding/institutional eligibility criteria; notes the variety of models that do not depend on article processing charges or similar per-unit charges and stresses the importance of supporting the development of such models led by public research organisations; […] stresses that it is essential to avoid situations where researchers are limited in their choice of publication channels due to financial capacities rather than quality criteria, and where access to research publications is restricted by paywalls”
Zwar sind diese Unterstreichung und Betonung sicherlich nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Gestaltung eines pluralistischen, transparenten und nachhaltigen Systems der digtialen Wissenschaftskommunikation. Sie kommen jedoch zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kritik an dem Modell der Publikationsgebühren wächst.
Erst kürzlich hat die Ivy Plus Libraries Confederation (IPLC) in den USA, als Zusammenschluss von Bibliotheken forschungsstarker Einrichtungen, das APC-Modell deutlich kritisiert. Die Bibliothekar:innen sehen die Gefahr, dass Publikationsgebühren Ungleichheit fördern und Forschende aus finanziell weniger gut ausgestatteten Regionen beim Open-Access-Publizieren benachteiligt werden. Sie charakterisieren APCs als eine Hürde bei der Publikation.
Auch hat der öffentlichkeitswirksame Rücktritt des Editorial Boards der Elsevier-Zeitschrift NeuroImage aufgrund steigender APCs den kritischen Blick auf das Geschäftsmodell gelenkt. Die zurückgetretenen Herausgebenden haben nun bei MIT Press ein neues Journal gegründet, das niedrige APCs erhebt. Dieser Schritt zeigt, dass nicht APCs das Problem sein müssen, sondern vielmehr deren Preisgestaltung.
Um die im obrigen Zitat formulierten Anliegen der EU-Staaten zu adressieren, soll die Koordinierung innerhalb der EU und mit globalen Partnern zur Unterstützung von Chancengleichheit im wissenschaftlichen Publizieren gefördert werden (Absatz 7). Hierzu sollen auch abgestimmte Finanzierungsstrategien entwickelt werden, um die Anzahl von not-for-profit open access multi-format scholarly publishing models in Europe with no costs for authors or readers“ signifikant zu erhöhen (Absatz 11).
Auch soll das Anliegen durch eine mögliche Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten an Open Research Europe (ORE), der von der EU-Kommission finanzierten Publikationsplattform für Autor:innen aus den EU-Rahmenprogrammen, vorangetrieben werden (Absatz 15).
In der Pressemitteilung werden weitere Themen der verabschiedeten Schlussfolgerungen augegriffen:
“Some Member States have introduced secondary publication rights into their national copyright legislation, enabling open access to scholarly publications which involve public funds. The Council encourages national open access policies and guidelines to make scholarly publications immediately openly accessible under open licences. The conclusions acknowledge positive developments in terms of monitoring progress, like within the framework of the European Open Science Cloud (EOSC), and suggest including open science monitoring in the European Research Area monitoring mechanism.”
Die Schlussfolgerungen können zweifellos als Stärkung des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens in akademischer Trägerschaft interpretiert werden. Der eingeschlagene Kurs ist zu begrüßen. Um die bereits vielfältigen Open-Access-Publikationsangebote und -Verlage, die von wissenschaftlichen Einrichtungen betrieben oder gemeinsam (mit angemessenen und ohne APCs) finanziert werden, nachhaltig zu stärken, ist es erforderlich, kooperative Finanzierungsmodelle auf internationaler Ebene zu entwickeln und umzusetzen. Dafür sind, wie das Papier richtig betont, abgestimmte Förderaktivitäten erforderlich, die beispielsweise in Deutschland, komplementär zu DEAL, dem wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizieren einen deutlichen Aufschwung geben.
Unter dem Titel „Respect for freedom and inclusiveness in scientific research and promotion of open science“ haben die Wissenschaftsminister:innen der G7-Staaten das Thema Open Science auf ihrer jüngsten Sitzung in Sendai, Japan, vom 12. bis 14. Mai 2023 behandelt.
In der Abschlusserklärung (PDF) wird die Relevanz von Open Science betont:
„The G7 will collaborate in expanding open science with equitable dissemination of scientific knowledge and publicly funded research outputs including research data and scholarly publications in line with the Findable, Accessible, Interoperable, and Reusable (FAIR) principles. This is so that researchers and people throughout the world can benefit from them as well as contribute to the creation of new knowledge, stimulation of innovation, democratization of access to knowledge by society and the development of solutions for global challenges. This will also help to build more reproducible and trusted research results.“
Über die Förderung der FAIR-Prinzipien hinaus wird der sofortige, offene und öffentliche Zugang zu öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsdaten in dem Papier der G7-Staaten betont:
„The G7 also supports immediate open and public access to government-funded scholarly publications and scientific data, and supports the endeavors of the scientific community to address challenges in scholarly publishing for broader sharing of appropriate scientific outputs.“
Adressiert wird auch der Umgang mit medizinischen Forschungdaten. Mit Blick auf Infektionskrankheiten wird die Bedeutung von offenen Wissenschaftsplattformen betont, die einen schnellen globalen Austausch von Sequenzdaten ermöglichen.
Zu den Aktivitäten der G7 Open Science Working Group heißt es in dem Dokument:
„[..] we support the efforts of the G7 Open Science Working Group in promoting the interoperability and sustainability of infrastructure for research outputs, supporting research assessment approaches that incentivize and reward open science practices, and encouraging “research on research“, aimed at helping to shape a more effective evidence-based research policy.“
Neben der Anerkennung der wichtigen Bedeutung der externen Wissenschaftskommunikation (für die eine G7-Arbeitsgruppe eingerichtet werden soll), wird auch die Rolle von Forschungsinfrastrukturen bei der Förderung von Open-Science-Praktiken betont.
Diese Woche befassten sich die EU-Wissenschaftsminister:innen im Rahmen der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft mit der Weiterentwicklung von Open Science in Europa.
Foto: Josefine Stenersen, Swedish Presidency of the Council of the EU, Flickr, CC BY-ND 2.0
Im Vorfeld der Sitzung wurden zwei lesenswerte Briefing Papers veröffentlicht. In diesen werden die Themenfelder Infrastrukturen für Forschungsdaten (PDF) und Open Access (PDF) behandelt. In dem Papier zu Open Access wird die Frage nach der zukünftigen Gestaltung der zukünftigen digitalen Wissenschaftskommunikation gestellt:
“In the current system for scholarly publishing, the increasing costs for scholarly publishing associated with certain business models may cause inequality in the scientific communities and may also become unsustainable for public research funders and institutions accountable for the spending of public funds. What measures have already been taken and what other shared actions could be taken at national or European level to avoid situations where researchers, due to financial capacities rather than quality criteria, are limited in their choice of publication channels, and where they, as well as the broader public, due to paywalls, are locked out from accessing research publications?”
“For many years, there has been intensive work on making publications openly published on the internet, and the share of articles published openly has gradually risen. However, there are issues needed to be dealt with, for example the high costs of publishing and of reading articles. Another issue is the fact that some journals don’t have good enough processes for securing the quality of the publications,” so der schwedische Bildungsminister Mats Persson.
Angekündigt wurden eine Positionierung zu Open Science, als Schlussfolgerung des EU-Rates, im Mai sowie eine Erklärung zur Forschungsinfrastrukturen im Juni.