Gates Foundation: Bye Bye APC

Die Gates Foundation hat angekündigt, ab 2025 keine APCs mehr für Gold OA zu bezahlen. Es reicht ihr, wenn Forschende stattdessen nur einen Preprint mit einer CC-BY-Lizenz veröffentlichen. Geförderte Forschende können ihre Publikationen allerdings immer noch in einem Peer-Review-Journal (auch hinter einer Paywall) veröffentlichen.

Damit läutet die Foundation einen radikalen Wechsel ein, der insofern überraschend ist, als das die Gates das APC-Modell in der Vergangenheit stark gestützt hat, ja sogar mit ChronosHub ein Tool in Auftrag gegeben hat, mit dem APCs besser verwaltet werden können. Die Foundation war auch die allererste Institution, die ein Hybrid-Publishing Abkommen mit AAAS hatten. Ebenfalls betreiben sie eine Instanz der F1000-Publikationsplattform (Gates Open Research). Dieser abrupte Wechsel wird mit einer Frustration in der Entwicklung von OA begründet:

Open Access as it is done now hasn’t changed for ten years and in fact has given rise to some unsavory publishing practices by poor actors (paper mills, questionable quality review, unchecked pricing). This has caused the foundation to rethink how it supports Open Access to better achieve its goals of immediate access, global reuse, and equitable action. 
[..]

The foundation has a decade of data, learning, and research that went into our strategy and open access policy refresh. The predominant OA business model is the APC and that has been stretched and corrupted to the point that unfunded research throughout the globe cannot publish due to lack of funds. New models, like Diamond OA and Subscribe to Open, have been slow to gain traction and adoption by the major journals and publishers further locking in the APC model.

Auf die Frage, ob OA alleine auf Preprints nicht zu Lasten der wiss. Qualität gehen würde, antwortet die Gates Foundation:

  • Preprints have been shown to address misinformation by enabling the broader scientific community to engage with and respond to research as soon as possible.
  • There is growing evidence that there are few significant changes from the preprint version to the peer-reviewed one

Wie Tom Ciavarella von Frontiers in Science zitiert wird, besteht damit die Gefahr, dass Forschende ohne finanziellen Support wieder vermehrt in Closed-Access publizieren und letztlich, ausser dem Preprint, nicht viel gewonnen ist.

Man kann die Entscheidung auch als Weckruf interpretieren, der signalisiert, dass nun endlich die Hochschulen gefordert sind. Förderer wie die Gates Foundation haben, streng genommen, mit den APCs zusätzliches Geld ins System eingespeist, ohne dafür zu sorgen, dass es eine Rückkopplung im System gibt, durch die Hochschulen dem Closed Access den Geldhahn zudrehen. Dass hier irgendwann die Geduld reisst, war zu erwarten. Überraschend ist jedoch, dass nicht nur die zu langsame Transformation oder die Preise bei Gold OA in Frage gestellt werden, sondern auch das Peer-Review und die gesamte Verlagsleistung.

Einblick ins Geschäft des Ghostwriting

Auf dem Youtube-Kanal {ungeskripted} gibt es ein spannendes Interview mit Elias Gudwis, der unter ghostwriting-gudwis.de eine Ghostwriting-Agentur mit Fokus Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten betreibt.

„Lustigerweise“ hat die Plagiatsaffäre um Guttenberg dazu geführt, dass die Nachfrage gestiegen ist, weil Ghostwriter bezüglich Plagiate ihr Handwerk verstehen. Auch ChatGPT hat bisher noch nicht zu einem Einbruch der Nachfrage geführt, da es für den wissenschaftlichen Bereich einfach noch nicht genügend ausgereifte Arbeiten liefert. Langfristig sieht Gudwis die KI allerdings schon als einen Einfluss, der die Preise in seiner Branche nach unten treiben wird.

Obwohl Gudwis natürlich ahnt, wofür die Arbeiten gebraucht werden, bewegt er sich im legalen Bereich, weil es ja der/die AuftraggeberIn ist, der diese Arbeit dann – sehr wahrscheinlich – als seine eigene bei einer Hochschule einreicht und damit gegen die Regeln verstösst. Moralisch scheint er mit seinem Geschäft wenig Bedenken zu haben. Verständnis für seine Auftraggeber hat er insbesondere dann, wenn diese eigentlich einfach einen Beruf ausüben wollen, für den zwar ein Studienabschluss verlangt wird, der Inhalt des Studiums dann aber wenig mit dem eigentlichen Job zu tun hat. Er würde sich als „Wissenschafts-Nerd“ nicht nur eine Abkehr von dieser inflationären Verakademisierung wünschen, sondern auch eine offene Debatte über die eigentlichen Missstände, die zum Ghostwriting führen. Hier sieht er allerdings keinen Willen des Hochschulbetriebs.

Im Oktober 2023 gab es in Nano ebenfalls ein Beitrag „Fake-News in der Wissenschaft“ zum Thema Papermills.

DOIs für Wissenschaftsblogs? – Ein Interview mit Martin Fenner zu Rogue Scholar

Blogs sind heute ein integraler Bestandteil der digitalen Wissenschaftskommunikation und unterstützen verschiedene Kommunikationsfunktionen in der Wissenschaft. Sie können als Tagebuch im Sinne von Open Science genutzt werden, um aktuelle Ergebnisse aus dem Laboralltag zu dokumentieren und zu kommunizieren. Zudem können sie als digitales Schaufenster dienen, um die externe Wissenschaftskommunikation an wissenschaftlichen Einrichtungen zu unterstützen und wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Trotz ihrer Bedeutung sind jedoch viele Fragen im Zusammenhang mit der dauerhaften Zugänglichkeit von Blogs ungeklärt. Beispielsweise konnten Blogplattformen kommerzieller Akteure wie Nature und ScienceBlogs keinen nachhaltigen Betrieb für ihre Blogs gewährleisten. Angesichts dieser Problematik haben verschiedene Akteure der wissenschaftlichen Blogosphäre begonnen, sich mit den Herausforderungen rund um die dauerhafte Zitierung und Archivierung von Wissenschaftsblogs zu beschäftigen.

Martin Fenner, vielen Leser:innen hier sicher bekannt, bloggt seit Jahren auf verschiedenen Blogplattformen wie Nature Network und PLOS Blogs zu aktuellen Themen der digitalen Wissenschaftskommunikation. Zuletzt war er als Technischer Direktor für DataCite tätig und hat sich dort insbesondere mit Persistent Identifiers (PIDs) für Forschungsdaten und Forschungssoftware befasst. Kürzlich hat er sich mit Front Matter als IT-Dienstleister für die Wissenschaft selbständig gemacht und widmet sich nun unter der Marke Rogue Scholar einigen der Herausforderungen in Bezug auf die Referenzierung und Sicherung von wissenschaftlichen Blogbeiträgen. Unter anderem sorgt sein Dienst dafür, dass Blogbeiträge von wisspub.net seit wenigen Tagen mit DOIs adressierbar sind und mit den ORCID-IDs ihrer Autor:innen verknüpft sind (Beispiel). Grund genug, Martin Fenner ein paar Fragen zu seinem Vorhaben zu stellen.

Dank Dir, Martin Fenner, sind die Beiträge von wisspub.net seit neuestem durch DOIs adressiert. Welche Idee steht hinter Deinem Service Rogue Scholar?

Das Wissenschaftsblogs ein wichtiger aber unterschätzter Teil der Publikation und Kommunikation von Wissenschaft sind. Das Grundkonzept funktioniert prächtig seit zwanzig Jahren, aber einige wichtige Bausteine haben meiner Meinung nach bisher gefehlt.

Wie sind die bisherigen Reaktionen auf Rogue Scholar? 

Viel Interesse und Dankbarkeit bei den Blogs und Blogger:innen die Rogue Scholar schon nutzen. Ich glaube ein bißchen auch positives Erstaunen, dass vieles so einfach (und kostengünstig) geht, was beim Publizieren von Zeitschriftenartikeln (aber auch Büchern, Forschungsdaten, usw.) so schwer und langwierig erscheint, also z.B. Metadaten oder geeignete digitale Formate.

Was ich aber auch sehe, ist eine gewisse Zurückhaltung, die kompletten Inhalte von Blogs in RSS Feeds und mit einer offenen Lizenz (CC-BY) zur Verfügung zu stellen, selbst wenn das Blog sich mit Open Science oder verwandten Themen beschäftigt. Da ist noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, insbesondere warum CC-BY gegenüber verwandten Lizenzen wie CC-BY-NC und CC-BY-SA vorzuziehen ist.

Welche Herausforderungen sind aus Deiner Sicht weiter ungeklärt?

Blogs sind einfach, bezahlbar und schnell gestartet. Es ist aber weiterhin schwierig, interessante Beiträge auch zu finden – insbesondere von weniger bekannten Autor:innen und zwei, fünf oder zehn Jahre nachdem sie veröffentlicht wurden. Mein beliebtester Blogpost ist seit Jahren ein Post von 2014 mit Tipps zur Nutzung von Microsoft Word mit git. Eine Zeit lang waren Blogging Networks sehr populär, aber einigen von ihnen ist irgendwann die Puste (sprich Finanzierung) ausgegangen.

Und Blogs verschwinden irgendwann, wenn der/die Autor:in oder die Organisation andere Prioritäten setzt. Mein persönliches Blog hat bisher in 16 Jahren sechsmal den Ort und die technische Platform gewechselt, ohne die Wayback Machine des Internet Archive und viel manuelle Arbeit wären viele Inhalte verloren.

Rogue Scholar baut auf diesen Erfahrungen auf, indem es die Langzeitarchivierung und zentrale Suchfunktion für bestehende Blogs unterstützt. Und erweitert Blogs um zentrale Funktionalitäten, die für wissenschaftliche Infrastruktur essentiell sind: Persistierende Identifier und Metadaten. Keine Überraschung, denn diese Themen sind seit 2008 wichtige Themen meines Blogs und später auch meiner Arbeit, u.a. für ORCID, DataCite und ROR. Dank Rogue Scholar haben nicht nur schon über 1.000 Blogposts eine DOI, sondern diese Blogposts sind Teil des Scholarly Record geworden. Sie sind über DOI, Referenzen (bis zu 50 bei bisher insgesamt 5 % aller Blogposts) und ORCID Author Identifier (70 % aller Blogposts) in den Metadaten auf vielfältige Weise mit anderen Publikationen und ihren Autor:innen verknüpft.

Du hast Dich bei PLOS viele Jahre mit Indikatoren für Open Science beschäftigt. Wie bewertest Du die Entwicklungen rund um die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA)? Könnte der angestrebte breite Blick auf Forschungsleistung auch Wissenschaftsblogs neuen Aufschwung geben?

Momentan sehe ich Wissenschaftsblogs in der Regel nicht als Teil der publizieren Wissenschaft, die evaluiert werden muss oder soll. Vielmehr erfüllen Wissenschaftsblog vor allem andere Funktionen im Bereich der Wissenschaftskommunikation, unter Wissenschaftler:innen und mit der breiteren Öffentlichkeit. Sie ähneln dabei eher Aktivitäten von Wissenschaftler:innen in den sozialen Medien oder Wikipedia.

Wissenschaftsblogs sind wichtig, weil sie die Kommunikation von Wissenschaft einfach, schnell und ohne technische Hürden ermöglichen. Sie ähneln dabei Preprints, die sie übrigens sehr gut ergänzen, da diese in der Regel nicht für Nachrichten, Standpunkte, Übersichtsarbeiten, usw. verwendet werden.

Letzte Frage: Du hast lange Zeit selbst auf verschiedenen Plattformen wie Nature Network und PLOS Blog gebloggt. Eine unserer ersten Diskussionen ist in einem Blog-Beitrag von Dir festgehalten (über Forschungsinformationssysteme aus dem Jahr 2010) und an einigen Stellen weiterhin aktuell. Welche Zukunft wünschst Du den wissenschaftlichen Blogs?

Ich glaube, Wissenschaftsblogs haben eine großartige Zukunft, insbesondere in Zeiten des Wandels in den sozialen Medien, nicht nur bei Twitter. Ich glaube und hoffe dass sich das Format weiterentwickelt, z.B. in Form von Podcasts, Vlogs, oder Microblogs, aber auch neuen Plattformen wie Quarto, Typst oder Curvenote, die wissenschaftliches Publizieren vereinfachen und die Grenzen zwischen Blogs und traditionellen Publikationsplatformen verschwimmen lassen.

Vielen Dank für das Interview!

Referenzen

COARA. (n.d.). Coalition for Advancing Research Assessment. Retrieved July 12, 2023, from https://coara.eu/

Creative Commons. (n.d.). Creative Commons. Retrieved July 12, 2023, from https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Curvenote. (n.d.). Curvenote. Retrieved July 12, 2023, from https://curvenote.com/

Fenner, M. (2008). Just DOI it! Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw4c

Fenner, M. (2009). Author Identifiers: Interview with Geoffrey Bilder. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw1h

Fenner, M. (2010a). BibApp: Mashups for Universities. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw50

Fenner, M. (2010b). Yet another look at blogging networks. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw56

Fenner, M. (2014). Using Microsoft Word with git. Front Matter. https://doi.org/10.53731/r294649-6f79289-8cw07

Fenner, M. (2023). The Rogue Scholar archive reaches a milestone: 1000 searchable full-text science blog posts with DOIs. Front Matter. https://doi.org/10.53731/89zgc-ptr93

Front Matter. (n.d.). Front Matter. Front Matter. Retrieved July 12, 2023, from https://blog.front-matter.io/

Internet Archive. (n.d.). Internet Archive: Wayback Machine. Retrieved July 12, 2023, from https://archive.org/web/

Pampel, H. (2023). Bund und Länder legen Leitlinien zu Open Access vor. Wisspub.net. https://doi.org/10.59350/tfqe7-ptn14

Quarto. (n.d.). Quarto. Quarto. Retrieved July 12, 2023, from https://quarto.org/

Redhead, C. (2012, October 23). Why CC-BY? OASPA. https://oaspa.org/why-cc-by/

Rogue Scholar. (n.d.). Rogue Scholar. Retrieved July 12, 2023, from https://rogue-scholar.org/de

Thompson, B. (2023, July 11). Threads and the Social/Communications Map. Stratechery by Ben Thompson. https://stratechery.com/2023/threads-and-the-social-communications-map/

Typst. (n.d.). Typst. Typst. Retrieved July 12, 2023, from https://typst.app/

Bund und Länder legen Leitlinien zu Open Access vor

Im Rahmen der 16. Berliner Open-Access-Konferenz der Max-Planck-Gesellschaft, die aktuell unter dem Titel “Together for Transformation” Berlin stattfindet, wurden gestern Leitlinien von Bund und Ländern zu Open Access vorgestellt.

Diese Leitlinien wurden von der Kultusministerkonferenz (KMK) im März verabschiedet. Auf der Webseite der KMK findet sich eine knappe Pressemitteilung zu dem Papier. In dieser heißt es zum Prozess der Erarbeitung:  

“Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Länder haben auf Fachebene seit 2019 einen intensiven Austausch zum Thema Open Access. Im Ergebnis dieses Austauschs sind gemeinsame Leitlinien von Bund und Ländern zu Open Access entstanden.”

Vorgestellt wurde das Papier gestern auf der MPG-Konferenz von BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring und Andreas Handschuh vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Dieser wird in der Meldung mit den folgenden Worten zitiert:

“Bund und Länder senden mit den Leitlinien zum Open Access ein starkes Zeichen für eine unabhängige und souveräne Wissenschaft. Der Transformationsprozess hin zu Open Access bedarf einer gemeinsamen Anstrengung aller Akteure und Organisationen des Wissenschaftssystems, damit offenes Publizieren wissenschaftlicher Ergebnisse aus öffentlich finanzierter Forschung zum Standard wird.“

Die Leitlinien, die in deutscher und englischer Sprache über die Website des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zugänglich sind, gliedern sich in zehn Abschnitte: 

1. Unterstützung der Transformation durch Bund und Länder; Kooperation

In diesem Abschnitt wird die Kooperation von Bund und Ländern betont: “Bund und Länder wollen […] das seit 2019 regelmäßig stattfindende Austauschformat zu Open Access verstetigen und unter Einbeziehung der Wissenschaft den begonnenen strategischen Prozess fortsetzen.”

2. Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen

Hier werden das Zweitveröffentlichungsrecht sowie die Verankerung von Open Access in der Förderungspolitik des BMBF sowie die Integration von Open Access in der Hochschulgesetzgebung betont. 

3. Fördermaßnahmen zur Unterstützung der Open-Access-Transformation

In diesem Abschnitt werden weitere “Fördermaßnahmen zur Unterstützung der Transformation hin zu Open Access” angekündigt. 

4. Open Access und Hochschulsteuerung

Hier betonen die Länder ihr Anliegen, “Open Access nach Möglichkeiten durch Instrumente der Hochschulsteuerung bspw. in Wissenschafts- bzw. Hochschulentwicklungsplänen” zu fördern. 

5. Qualität von Open-Access-Publikationen und Reputation

Unter diesem Titel wird die Bedeutung der Weiterentwicklung der Forschungsbewertung betont. U.a. heißt es dort: “In Zukunft sollte im Rahmen von Evaluationsprozessen die Bewertung der Inhalte einzelner Artikel der pauschalen Qualifizierung der diese Forschung publizierenden Zeitschriften vorgezogen werden. Bund und Länder ermutigen die akademischen Einrichtungen, die DORA-Deklaration zu unterzeichnen und in diesem Sinne zu handeln.”

6. Services und Infrastrukturen

Betont wird in diesem Abschnitt die Bedeutung von Open-Access-Publikationsfonds und -Repositorien an wissenschaftlichen Einrichtungen. Auch ermutigen Bund und Länder, ganz im Geiste der aktuellen Schlussfolgerungen des EU-Rates, “Einrichtungen, eigene wissenschaftsgetragene Infrastrukturen aufzubauen und weiterzuentwickeln, um Autorinnen und Autoren die Möglichkeit zu geben, in wissenschafts- getriebenen bzw. wissenschaftseigenen Publikationsformen ihre Ergebnisse zu veröffentlichen.” Darüber hinaus wird festgestellt: “Bund und Länder teilen die Einschätzung des Wissenschaftsrates, dass Diamond-Open-Access-Modelle zur Diversität des Systems beitragen und in Konkurrenz zu gebührenfinanzierten Modellen treten können.”

7. Kostentransparenz

In diesem Kapitel wird die Erwartung formuliert, dass wissenschaftliche Einrichtungen Informationsbudgets schaffen. Zitat: “Bund und Länder gehen davon aus, dass die wissenschaftlichen Einrichtungen transparente Informationsbudgets aufsetzen und verweisen hierzu auf die einschlägigen Empfehlungen des Wissenschaftsrates.”

8. Vielfalt fördern, Marktkonzentration verringern

Betont wird hier die Bedeutung von Bibliodiversität. Auch werden die Kommerzialisierungsprozesse im Verlagswesen kritisiert. Zitat: “Der immer stärkeren Kommerzialisierung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen ist daher gezielt entgegenzutreten. Bund und Länder würdigen die Vielfalt im wissenschaftlichen Publikationssystem in Deutschland und sehen die wichtige Rolle kleiner und mittlerer Wissenschaftsverlage.”

9. Publikationen staatlicher Akteure

Hier wird das Anliegen von Bund und Ländern formuliert, die “Verwendung offener Lizenzen” zu fördern und die „langfristige und persistent zitierbare Verfügbarkeit eigener Publikationen zu sichern.”

10. Rolle von Open Access im Gesamtkontext

Betont wird hier die Einbettung von Open Access in Open Science. U.a. heißt es “​​Bund und Länder verstehen Open Access als Bestandteil von Open-Science-Konzepten. Open Access ist als Teil des Forschungsprozesses eine Innovationsquelle. Open Access und Open Science setzen einen Kulturwandel und die Entwicklung spezieller Kompetenzen bei den Akteurinnen und Akteuren voraus.”

In einem Fazit der Leitlinien wird festgestellt: “Die Förderung der Vielfalt und Dauerhaftigkeit von Open Access ist erklärtes Ziel von Bund und Ländern. Bund und Länder teilen die Einschätzung des Wissenschaftsrates, dass die Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access innerhalb der nächsten Jahre abgeschlossen und das offene Publizieren wissenschaftlicher Ergebnisse aus öffentlich finanzierter Forschung zum Standard werden soll.”

EU-Mitgliedstaaten betonen die Rolle von wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Modellen jenseits von APCs

Die EU-Wissenschaftsministerien haben sich auf ihrer heutigen Sitzung in Brüssel unter dem Titel “Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing” (PDF der englischen Version, PDF der deutschen Version) mit den aktuellen Herausforderungen des wissenschaftlichen Publikationswesens befasst.

Bereits im Vorfeld der Sitzung der Wissenschaftsministerien wurden verschiedene Versionen der Erklärung öffentlich diskutiert (siehe z.B. Science Business und Times Higher Education). Im Kern stand die Frage, inwiefern das EU-Papier den Fokus auf Finanzierungs- und Geschäftsmodelle abseits von Publikationsgebühren (Article Processing Charges, APCs) legt und ob sogar eine Abkehr von der Unterstützung dieses Modells durch die öffentliche Hand in Europa betont wird.

Schweden hatte das Thema im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft augegriffen und bereits im Februar in einem Hintergrund-Papier adressiert. Schon in diesem Briefing Paper wurde die Problematik steigender Preise für die wissenschaftlichen Fachinformation betont. 

In der jetzt verabschiedeten Version der Schlussfolgerungen die Forderung nach sofortigem Open Access für wissenschaftliche Publikationen, die im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung entstehen, nochmals betont. Dieses Ziel wurde bereits 2016 von den EU-Wissenschaftsministerien erhoben. Die Wissenschaftsminister:innen hatten damals einen Open-Access-Anteil von 100 % bis 2020 gefordert. Dieser Wert wurde bisher jedoch nicht erreicht. In Deutschland liegt der Open-Access-Anteil zum Beispiel bei 63 Prozent, während die Niederlande im Publikationsjahr 2021 einen Anteil von 82 Prozent erreichten.

“Council conclusions on high-quality, transparent, open, trustworthy and equitable scholarly publishing”

Angesichts steigender Abonnementkosten und ähnlicher Entwicklungen im Bereich der Publikationsgebühren für Open Access und hybride Optionen betont das EU-Papier das Potenzial von Geschäfts- und Finanzierungsmodellen, die weder die Leser:innen noch die Autor:innen finanziell belasten und sich durch angemessene und transparente Preise auszeichnen (Punkt 6). Es wird beklagt, dass die steigenden Preise für wissenschaftliche Fachinformationen zu Ungleichheiten führen und die öffentliche Hand in Europa zum Nachteil der Forschung belasten (Punkt 5).

Aufgrund dieser Kritik am kommerziellen Verlagswesen wird in zwei bemerkenswerten Punkten (6 und 7) die Bedeutung von nicht gewinnorientierten Open-Access-Modellen betont. Wortlaut:

“The Council of the European Union […] highlights the importance of not-for-profit, scholarly open access publishing models that do not charge fees to authors or readers and where authors can publish their work without funding/institutional eligibility criteria; notes the variety of models that do not depend on article processing charges or similar per-unit charges and stresses the importance of supporting the development of such models led by public research organisations; […] stresses that it is essential to avoid situations where researchers are limited in their choice of publication channels due to financial capacities rather than quality criteria, and where access to research publications is restricted by paywalls”

Zwar sind diese Unterstreichung und Betonung sicherlich nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Gestaltung eines pluralistischen, transparenten und nachhaltigen Systems der digtialen Wissenschaftskommunikation. Sie kommen jedoch zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kritik an dem Modell der Publikationsgebühren wächst.

Erst kürzlich hat die Ivy Plus Libraries Confederation (IPLC) in den USA, als Zusammenschluss von Bibliotheken forschungsstarker Einrichtungen, das APC-Modell deutlich kritisiert. Die Bibliothekar:innen sehen die Gefahr, dass Publikationsgebühren Ungleichheit fördern und Forschende aus finanziell weniger gut ausgestatteten Regionen beim Open-Access-Publizieren benachteiligt werden. Sie charakterisieren APCs als eine Hürde bei der Publikation.

Auch hat der öffentlichkeitswirksame Rücktritt des Editorial Boards der Elsevier-Zeitschrift NeuroImage aufgrund steigender APCs den kritischen Blick auf das Geschäftsmodell gelenkt. Die zurückgetretenen Herausgebenden haben nun bei MIT Press ein neues Journal gegründet, das niedrige APCs erhebt. Dieser Schritt zeigt, dass nicht APCs das Problem sein müssen, sondern vielmehr deren Preisgestaltung.

Um die im obrigen Zitat formulierten Anliegen der EU-Staaten zu adressieren, soll die Koordinierung innerhalb der EU und mit globalen Partnern zur Unterstützung von Chancengleichheit im wissenschaftlichen Publizieren gefördert werden (Absatz 7). Hierzu sollen auch abgestimmte Finanzierungsstrategien entwickelt werden, um die Anzahl von not-for-profit open access multi-format scholarly publishing models in Europe with no costs for authors or readers“ signifikant zu erhöhen (Absatz 11).

Auch soll das Anliegen durch eine mögliche Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten an Open Research Europe (ORE), der von der EU-Kommission finanzierten Publikationsplattform für Autor:innen aus den EU-Rahmenprogrammen, vorangetrieben werden (Absatz 15). 

In der Pressemitteilung werden weitere Themen der verabschiedeten Schlussfolgerungen augegriffen: 

“Some Member States have introduced secondary publication rights into their national copyright legislation, enabling open access to scholarly publications which involve public funds. The Council encourages national open access policies and guidelines to make scholarly publications immediately openly accessible under open licences. The conclusions acknowledge positive developments in terms of monitoring progress, like within the framework of the European Open Science Cloud (EOSC), and suggest including open science monitoring in the European Research Area monitoring mechanism.”

Die Schlussfolgerungen können zweifellos als Stärkung des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens in akademischer Trägerschaft  interpretiert werden. Der eingeschlagene Kurs ist zu begrüßen. Um die bereits vielfältigen Open-Access-Publikationsangebote und -Verlage, die von wissenschaftlichen Einrichtungen betrieben oder gemeinsam (mit angemessenen und ohne APCs) finanziert werden, nachhaltig zu stärken, ist es erforderlich, kooperative Finanzierungsmodelle auf internationaler Ebene zu entwickeln und umzusetzen. Dafür sind, wie das Papier richtig betont, abgestimmte Förderaktivitäten erforderlich, die beispielsweise in Deutschland, komplementär zu DEAL, dem wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizieren einen deutlichen Aufschwung geben.

Open Science – Thema auf dem G7-Treffen der Wissenschaftsministerien

Unter dem Titel „Respect for freedom and inclusiveness in scientific research and promotion of open science“ haben die Wissenschaftsminister:innen der G7-Staaten das Thema Open Science auf ihrer jüngsten Sitzung in Sendai, Japan, vom 12. bis 14. Mai 2023 behandelt.

In der Abschlusserklärung (PDF) wird die Relevanz von Open Science betont:

„The G7 will collaborate in expanding open science with equitable dissemination of scientific knowledge and publicly funded research outputs including research data and scholarly publications in line with the Findable, Accessible, Interoperable, and Reusable (FAIR) principles. This is so that researchers and people throughout the world can benefit from them as well as contribute to the creation of new knowledge, stimulation of innovation, democratization of access to knowledge by society and the development of solutions for global challenges. This will also help to build more reproducible and trusted research results.“

Über die Förderung der FAIR-Prinzipien hinaus wird der sofortige, offene und öffentliche Zugang zu öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsdaten in dem Papier der G7-Staaten betont:

„The G7 also supports immediate open and public access to government-funded scholarly publications and scientific data, and supports the endeavors of the scientific community to address challenges in scholarly publishing for broader sharing of appropriate scientific outputs.“

Adressiert wird auch der Umgang mit medizinischen Forschungdaten. Mit Blick auf Infektionskrankheiten wird die Bedeutung von offenen Wissenschaftsplattformen betont, die einen schnellen globalen Austausch von Sequenzdaten ermöglichen. 

Zu den Aktivitäten der G7 Open Science Working Group heißt es in dem Dokument:

„[..] we support the efforts of the G7 Open Science Working Group in promoting the interoperability and sustainability of infrastructure for research outputs, supporting research assessment approaches that incentivize and reward open science practices, and encouraging “research on research“, aimed at helping to shape a more effective evidence-based research policy.“

Neben der Anerkennung der wichtigen Bedeutung der externen Wissenschaftskommunikation (für die eine G7-Arbeitsgruppe eingerichtet werden soll), wird auch die Rolle von Forschungsinfrastrukturen bei der Förderung von Open-Science-Praktiken betont.

EU-Wissenschaftsministerien erörtern Open Science

Diese Woche befassten sich die EU-Wissenschaftsminister:innen im Rahmen der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft mit der Weiterentwicklung von Open Science in Europa. 

Foto: Josefine Stenersen, Swedish Presidency of the Council of the EU, Flickr, CC BY-ND 2.0

Im Vorfeld der Sitzung wurden zwei lesenswerte Briefing Papers veröffentlicht. In diesen werden die Themenfelder Infrastrukturen für Forschungsdaten (PDF) und Open Access (PDF) behandelt. In dem Papier zu Open Access wird die Frage nach der zukünftigen Gestaltung der zukünftigen digitalen Wissenschaftskommunikation gestellt: 

“In the current system for scholarly publishing, the increasing costs for scholarly publishing associated with certain business models may cause inequality in the scientific communities and may also become unsustainable for public research funders and institutions accountable for the spending of public funds. What measures have already been taken and what other shared actions could be taken at national or European level to avoid situations where researchers, due to financial capacities rather than quality criteria, are limited in their choice of publication channels, and where they, as well as the broader public, due to paywalls, are locked out from accessing research publications?”

Eine Pressemitteilung fasst die Ergebnisse zusammen. 

“For many years, there has been intensive work on making publications openly published on the internet, and the share of articles published openly has gradually risen. However, there are issues needed to be dealt with, for example the high costs of publishing and of reading articles. Another issue is the fact that some journals don’t have good enough processes for securing the quality of the publications,” so der schwedische Bildungsminister Mats Persson.

Angekündigt wurden eine Positionierung zu Open Science, als Schlussfolgerung des EU-Rates, im Mai sowie eine Erklärung zur Forschungsinfrastrukturen im Juni. 

US-Regierung macht 2023 zum „Year of Open Science“

Gestern hat das White House Office of Science and Technology Policy (OSTP) der Biden-⁠Harris Administration angekündigt, das Jahr 2023 unter das Motto Open Science zu stellen. 

Mit Fördermitteln, einer Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur, sowie einer Verbesserung der Forschungsbeteiligung für Early Stage Researchers soll das Anliegen des „open and equitable research“ gestärkt werden. 

In einem Factsheet informiert das OSTP über die Aktivitäten der forschenden US-Bundesbehörden im Open-Science-Jahr. Im Kern stehen Maßnahmen, die die Umsetzung des wegweisenden Open-Science-Memorandums (das sogenannte „Nelson Memo“) aus dem August 2022 befördern. Nach diesem Erlass sind die US-Behörden aufgefordert sicherzustellen, dass wissenschaftliche Publikationen, und in vielen Fällen auch Forschungsdaten, ab 2026 auf Open-Access-Repositorien offen zugänglich gemacht werden (siehe Artikel hier im Blog dazu).

Webseite open.science.gov

Auf der Webseite open.science.gov werden Informationen zu den Open-Science-Aktivitäten der US-Behörden gesammelt. Über die Webseite steht auch ein zentraler Sucheinstieg zu den Open-Access-Repositorien der Behörden (u.a. NASA, NIH et al.) zur Verfügung. 

Interessant ist auch, dass das OSTP eine offizielle Definition für Open Science in den USA vorstellt. Diese lautet:

„The principle and practice of making research products and processes available to all, while respecting diverse cultures, maintaining security and privacy, and fostering collaborations, reproducibility, and equity.“ 

Angekündigt werden in dem Factsheet darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Förderung von Open Science. U. a. wird die Initiative „Transform to Open Science (TOPS)“ der NASA aufgegriffen. Unter dem Motto „Transform to Open Science“ widmet sich die NASA von 2022 bis 2027 in einem Schwerpunktprogramm der Weiterentwicklung von Open Science.

Open Science in der Klimaforschung 

Diese Woche findet zum zwölften Mal die internationale Open Access Week statt. Seit 2010 bietet die Aktionswoche einen Rahmen für die Diskussion über den Stand und die Herausforderungen des offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Während die Aktionswoche in ihren Anfangsjahren einen Fokus auf den Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln (Open Access) legte, widmen sich die Aktivitäten in diesem Jahr vermehrt auch anderen Aspekten von Open Science. So z. B. den Themen Open Research Data und Open Research Software. 

Die Aktionswoche wird von wissenschaftlichen Einrichtungen weltweit mit verteilten Aktivitäten begangen. Für Deutschland findet sich auf der Webseite open-access.network eine Übersicht von Aktivitäten. Seit 2012 wird jedes Jahr ein Motto für die Woche festgelegt. 

Das Motto „Open for Climate Justice“ der Open Access Week 2022

In diesem Jahr lautet das Motto “Open for Climate Justice”.  Dieses Motto würdigt zum einen die lange Tradition von Open-Science-Praktiken im Bereich der Klimaforschung, betont aber auch die Verantwortung der Politik in der Klimakrise. 

Im Folgenden werden einige der Open-Science-Praktiken in der Klimawissenschaft sowie der damit verbundene Transfer der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Eindämmung der Klimakrise beleuchtet.

Open Access zu Texten, Daten und Tools

Der Anteil der Open-Access-Publikationen in den Erd- und Umweltwissenschaften ist höher als in anderen Fächern. Auf europäischer Ebene fördert die European Geosciences Union (EGU) als Fachgesellschaft seit vielen Jahren Open Access und hat sich gemeinsam mit dem Verlag Copernicus Publications bei der Weiterentwicklung des Open Peer Review verdient gemacht. Mit EGUsphere, EarthArXiv und ESSOAr stehen darüber hinaus Preprint-Server bereit. 

Die 2014 von der American Geophysical Union (AGU)  gegründete “Coalition for Publishing Data in the Earth and Space Sciences (COPDESS)” widmet sich als Netzwerk der offenen Zugänglichkeit von Forschungsdaten in der Erd- und Weltraumforschung. Wissenschaftliche Einrichtungen, Fachgesellschaften und Verlage arbeiten in dem Netzwerk gemeinsam an Standards zur Realisierung der FAIR-Prinzipien

Auch das “Data Sharing” ist in den Geowissenschaften weiter verbreitet als in anderen Fachgebieten. Auf Forschungsdaten-Repositorien wie z. B. PANGAEA, das am Alfred-Wegener-Institut und der Universität Bremen betrieben wird, werden Daten der Klimaforschung offen publiziert. Dazu kommen in Deutschland eine Vielzahl von institutionellen Angeboten des Forschungsdatenmanagements, die aktuell im Rahmen des geowissenschaftlichen Konsortiums NFDI4Earth der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) vernetzt und weiterentwickelt werden. 

Internationale Großprojekte 

Gerade in den großen und kollaborativen geowissenschaftlichen Projekten ist Open Research Data seit Jahren ein Paradigma. Prominentes Beispiel ist die MOSAiC-Expedition. Von September 2019 bis Oktober 2020 driftete das Forschungsschiff Polarstern, in der größten Arktisexpedition aller Zeiten, durch das Nordpolarmeer. Beteiligt waren Forscher:innen aus 20 Nationen. Erhoben wurden 150 Terabyte Forschungsdaten und 10.000 Proben. Die Analyse dieser Daten sorgt für ein besseres Verständnis der Klimaprozesse in der Arktis und deren Rolle im Erdsystem. Eine Data Policy sorgt dafür, dass die Forschungsdaten der Expedition Anfang 2023 auf Forschungsdaten-Repositorien offen publiziert werden. Die Unterzeichnung der Policy war für jede der beteiligten Forscher:innen Voraussetzung für die Teilnahme an der Expedition. 

Während andere Fachgebiete noch über Standards diskutieren, ist die Open-Science-Praxis in den Klimawissenschaften, auch dank ihrer Internationalität, weit fortgeschritten. Die ISO-Norm 19115 „Geographic Information – Metadata“ oder auch das Directory Interchange Format (DIF) zur Beschreibung geographischer Informationen können hier als Beispiele für Standardisierungsaktivitäten genannt werden. Auch ist die Zitation von Datensätzen in Fachartikeln und damit auch das Zusammenspiel von Artikeln und Forschungsdaten an vielen Stellen bereits Realität. Dabei ist die Anwendung von Persistent Identifiers (PIDs) für Proben, Daten, Software verbreitet. 

Globale Kooperation für Open Science 

Die Förderung von Open Science wird von wissenschaftlichen Einrichtungen in den Erd-und Umweltwissenschaften weltweit vorangetrieben. Unter dem Motto “Transform to Open Science (TOPS)” widmet sich z. B. die NASA von 2022 bis 2027 in einem Schwerpunktprogramm der Weiterentwicklung von Open Science in den Forschungseinrichtungen der US-Behörde. Für 2023 hat die NASA sogar ein Open Science Jahr ausgerufen. Die NASA-Aktivitäten beeindrucken. Sie adressieren an vielen Stellen Aspekte der Diskussion um Klimagerechtigkeit und fördern Datenkompetenz und Dialog mit vom Klimawandel betroffenen Regionen. Folgendes Video gibt einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten der NASA im Kontext der Schaffung von Klimagerechtigkeit: 

Aktivitäten der NASA im Kontext von Open Science und Klimagerechtigkeit

Der Dialog der Forschenden auf internationaler Ebene ist auch nötig, um wissenschaftliche Daten auf globaler Ebene zu erheben. In weltweiten Messe-Netzwerken (z. B. in der Seismologie oder der Meteorologie) arbeiten Forschende aus aller Welt zusammen. Um die Daten bilden sich kollaborative Data Communities, die sich der Erhebung, dem Management und der Analyse von Forschungsdaten widmen. 

Als Beispiel kann das Projekt “West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use (WASCAL)” genannt werden, in dem afrikanische und deutsche Forscherinnen u. a. an einem Erdsystemmodell für Westafrika arbeiten. Ausbildung, Datenmanagement, Forschung und die Bereitstellung von Klimaänderungsinformationen prägen die gemeinsame Arbeit. Ein weiteres Beispiel mit deutscher Beteiligung ist das “Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management (SASSCAL). Teil dieses Kooperationsprojektes ist der Betrieb des “Open Access Data Center (OADC)”. Über das Portal werden Forschungsdaten rund um Klimaveränderungen in den südafrikanischen Ländern offen zugänglich gemacht. 

Forschungsdatenmanagement für den IPCC 

Auch der Transfer neuester wissenschaftlicher Ergebnisse der Klimaforschung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft wird auf internationaler Ebene verfolgt. Zentraler Akteur ist das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Der Rat wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environmental Programme) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Anliegen des IPCC ist es, Entscheidungsträger:innen über den Stand der Forschung zu informieren und damit eine Grundlage für wissenschaftsbasiertes Handeln zu formulieren. Die Ergebnisse werden seit 1990 in den IPCC-Berichten veröffentlicht. Die Berichte bewerten den Stand der Forschung anhand eines Assessments von Quellen. Dabei sichern mehrstufige Begutachtungsverfahren die Qualität der Berichte. 

Aktuell ist der sechste Sachstandsbericht in Arbeit. Die Formulierung des Sachstandsberichts wird in drei Arbeitsgruppen organisiert. Arbeitsgruppe 1 widmet sich den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Arbeitsgruppe 2 befasst sich mit den Folgen des Klimawandels. Dabei stehen Aspekte wie Anpassung und Verwundbarkeit im Fokus. Die Minderung des Klimawandels ist Gegenstand der Arbeitsgruppe 3. Die Berichte gliedern sich neben der Beschreibung der einzelnen Kapitel in je eine Executive Summary, eine Technical Summary sowie eine Summary for Policymakers. Zu jedem Kapitel wird darüber hinaus Begleitmaterial publiziert. Weitere Anhänge ergänzen die Berichte. Alle IPCC-Berichte und zugehörige Materialien sind offen zugänglich. Für den Bericht der Arbeitsgruppe 1 wurde ein Atlas erstellt, der auch als interaktive Anwendung im Web zugänglich ist. Er kann unter https://interactive-atlas.ipcc.ch abgerufen werden. Die dem Atlas zugrunde liegenden Daten werden unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY bereitgestellt

Eine zentrale Rolle beim Forschungsdatenmanagement der IPCC-Berichte spielt das Data Distribution Centre (DDC). Deutscher Partner im DDC ist das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ). Wer sich für die Praxis des Forschungsdatenmanagements beim IPCC interessiert, dem seien die Publikationen von Stockhause et al. (2019) und Stockhause & Lautenschlager (2022) zur Lektüre empfohlen, die die Umsetzung der FAIR-Prinzipien beim IPCC beleuchten. (Siehe auch Open Science Factsheet Nr. 7 des Helmholtz Open Science Office). Dank der Arbeiten des DDC und der beteiligten Datenzentren werden die Forschungsdaten des IPCC per Digital Object Identifier (DOI) adressiert und können so dauerhaft referenziert werden. Diese Praxis fördert, über die einfache Zitierung der Daten hinaus, auch die Transparenz über die verwendeten Quellen und unterstützt die dauerhafte Zugänglichkeit der Forschungsdaten, die Grundlage der IPCC-Berichte sind. 

Wissenstransfer in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft 

Der Transfer der Ergebnisse des IPCC-Berichts wird darüber hinaus z. B. durch Übersetzungen unterstützt. So organisiert die Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle den Wissenstransfer zwischen Forschung und Klimapolitik und erstellt die Übersetzung zentraler IPCC-Publikationen für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Der Transfer der Erkenntnisse der Klimaforschung wird auch von vielen wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland unterstützt. Ein Beispiel ist die Helmholtz-Klima-Initiative, die u. a. diverse Klimainformationen aufbereitet. Mit Blick auf die nötigen Anpassungen an den Klimawandel leistet das Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon eine wichtige Transferleistung. Das Center informiert mit einer Vielzahl an wissenschaftsbasierten Dienstleistungen über klimabezogenen Daten. So betreibt GERICS den GERICS-Bundesländer-Check, der zu Szenarien der Klimaentwicklung in den Bundesländern informiert. Auch bietet GERICS Workshops und Beratungsinstrumente für die Wirtschaft an. Z. B. steht ein Unternehmensbaukasten bereit, der Firmen bei der Implementierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel unterstützt. 

Ein weiteres Beispiel der Aufbereitung von Klimadaten für die breite Öffentlichkeit in Deutschland ist der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Über den Monitor können tagesaktuelle Informationen zum Bodenfeuchtezustand in Deutschland abgerufen werden. 

Über den Wasser-Monitor des Forschungszentrums Jülich (FZJ) können Personen in der Landwirtschaft, aber auch auch jede interessierte Bürgerin, Daten zum Wasserhaushalt im Boden – in hoher räumlicher Auflösung von etwa 600 Metern – für ganz Deutschland abrufen. Die Daten werden im Jülicher Supercomputing Centre (JSC) simuliert und tagesaktuell, bis zu neun Tage in die Zukunft, berechnet. Dabei werden diverse Parameter wie z. B. Niederschlag, Luftfeuchtigkeit oder Windgeschwindigkeit ​​berücksichtigt. 

Wissenstransfer rund um den Klimawandel bieten auch die vier regionalen Klimabüros der Helmholtz-Gemeinschaft. Diese unterstützen z. B. Stadtplaner:innen oder Landwirt:innen im Umgang mit dem Klimawandel. Der Blick auf das Dienstleistungsportfolio des Mitteldeutschen Klimabüros am UFZ zeigt die Vielfalt der Transferaktivitäten, mit denen Forschende wissenschaftliche Erkenntnisse in die breite Öffentlichkeit vermitteln. Neben dem dialogbasierten Wissensaustausch mit der Privatwirtschaft und NGOs, werden Weiterbildungsprogramme, Politikberatung aber auch diverse Angebote für Schüler:innen und Studierende erbracht.

Citizen Science in der Klimaforschung

Neben diesen Services sind es auch Citizen-Science-Projekte, in denen die institutionalisierte Wissenschaft mit Bürgerforscher:innen gemeinsam an der Erforschung des Klimawandels arbeitet. Der Klick auf buergerschaffenwissen.de gibt einen guten Überblick über die Breite der Citizen-Science-Projekte in Deutschland. Darüber lassen sich viele Projekte mit Bezug zur Klimaforschung recherchieren. Z. B das Fraunhofer-Projekt “PV2Go”, in dem interessierte Bürger:innen über einen Zeitraum von einem Jahr die Sonneneinstrahlung auf ihrem Autodach messen können. Ein weiteres Beispiel, das sich an Schüler:innen richtet, ist “UndercoverEisAgenten”. In Kooperation mit Schulen in Deutschland und Kanada werden per App Daten über das Auftauen des Permafrosts erhoben. Darüber hinaus gibt es in der Biodiversitätsforschung viele spannende Mitmachprojekte zur Erforschung der Artenvielfalt. So werden im Projekt “VielFalterGarten” Schmetterlingszählungen durchgeführt oder im Projekt “IGAMon-Dog” die Suche nach invasiven Pflanzen unterstützt. Bürgerforscher:innen leisten so einen wichtigen Beitrag bei der Erhebung von Daten rund um den Klimawandel.

Verantwortung der Politik 

Die hier skizzierten Aktivitäten zeigen, dass sich Open Science in der Klimaforschung dynamisch entwickelt. Auf die globale Klimakrise wird in internationalen Projekten und Initiativen reagiert. Darüber hinaus wird ein breites Angebot an wissenschaftsbasierten Transferleistungen für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft organisiert. 

Die dringende Notwendigkeit, den “Knowledge-Action Gap” zu schließen, der die Lücke zwischen wissenschaftlichem Wissen und politischem Handeln beschreibt, ist eine politische Aufgabe. Die mangelnde Reaktion der Politik auf wissenschaftsbasierte Erkenntnisse in der Klimakrise erschwert die notwendige Schaffung einer Klimagerechtigkeit, im Sinne der Nord-Süd-Gerechtigkeit und der Generationengerechtigkeit.  

Somit ist es – dem Motto “Open for Climate Justice” der diesjährigen Open Access Week folgend – die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger:innen die offen publizierten Erkenntnisse zu nutzen und auf Basis wissenschaftlicher Ergebnisse Klimagerechtigkeit zu sichern.

US-Regierung erlässt wegweisende Open-Science-Policy   

Heute hat das White House Office of Science and Technology Policy (OSTP) seine Open-Science-Policy aus dem Jahr 2013 aktualisiert. In einem wegweisenden Memorandum (PDF) unter dem programmatischen Titel “Ensuring Free, Immediate, and Equitable Access to Federally Funded Research” der Biden-⁠Administration werden die US-Bundesbehörden (z. B. NASA und NSF) zur Umsetzung folgender drei Punkte verpflichtet: 

  • Update their public access policies as soon as possible, and no later than December 31st, 2025, to make publications and their supporting data resulting from federally funded research publicly accessible without an embargo on their free and public release;
  • Establish transparent procedures that ensure scientific and research integrity is maintained in public access policies; and,
  • Coordinate with OSTP to ensure equitable delivery of federally funded research results and data“.

Während die aktuelle Open-Science-Policy, erlassen im Jahr 2013 von der Obama-Administration, bei der Umsetzung von Open Access zu wissenschaftlichen Artikeln noch eine Embargo-Periode von 12 Monaten vorsah (PDF), wird diese Sperrfrist nun abgeschafft. Zukünftig müssen peer-reviewed Publikationen, die im Rahmen der öffentlich geförderten Forschung der Bundesbehörden entstehen, mit ihrem Erscheinen offen zugänglich gemacht werden. (Eine Übersicht der Implementierungen der 2013er-Policy in den einzelnen US-Behörden bietet Science.gov. Ein Report für den US-Kongress, der ebenfalls heute veröffentlicht wurde beleuchtet die Hintergründe der Abschaffung des 12-Monats-Embargos.)

Verlagsverbände hatten im Vorfeld gegen die „zero embargo“ Open-Access-Policy protestiert. Seit dem Plan S, den eine Gruppe von Forschungsfördern, darunter auch die EU-Kommission, im Jahr 2018 auf den Weg brachte, gewinnt die Verbreitung dieser „zero embargo“ Policies jedoch auf internationaler Ebene an Verbreitung.

Über Open Access hinaus wird auch das Themenfeld Open Research Data in dem Memorandum adressiert. Unter Bezugnahme auf die erfolgreiche Anwendung von Open-Science-Praktiken bei der Erforschung von COVID-19 müssen die Bundesbehörden zukünftig sicherstellen, dass Mittelempfänger:innen ihrer Fördermittel, auch die Forschungsdaten, die einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zugrunde liegen, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung frei verfügbar und öffentlich zugänglich gemacht werden, falls dem keine Beschränkungen entgegenstehen. 

Bei der Realisierung des offenen Zugangs zu Forschungsdaten betont das OSTP die Bedeutung von Persistenten Identifikatoren (PDIs) zur dauerhaften Identifikation und Vernetzung von Forschungsdaten.

Bei dem Betrieb von digitalen Forschungsdaten-Repositorien müssen zukünftig die Anforderungen des National Science and Technology Council (NSTC) aus dem Mai berücksichtigt werden. 

SPARC, eine Vereinigung von wissenschaftlichen Einrichtungen und Bibliotheken in den USA, begrüßt den Schritt der US-Regierung als “enormous leap forward” in der längjährigen Diskussion um die Realisierug von Open Science. 

Neben der deutlichen Forderung nach der sofortigen Umsetzung von Open Access und Open Research Data, ist die prominente Rolle von digitalen Repositorien in dem Memorandum des OSTP bemerkenswert. Spannend wird nun sein, wie die Behörden die Anforderungen in ihrer Förderpraxis im Detail umsetzten. 

Dazu passend: Bereits im Juli wurde Open Science als Teil der Innovationspolitik der USA im sogenannten „Chips and Science Act“ verankert